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Das Beste aus zwei Welten. Wie Management auf Zuruf und Prozessmanagement kombiniert werden.

Beobachten Sie auch: Prozessvorschriften werden oft nicht befolgt? Sie sind unpassend? Sie werden als rigide wahrgenommen und darum gerne umgangen? Oder sie verkomplizieren sogar die flexible Aufgabenerfüllung?


Überall regt sich Widerstand gegen Prozessvorschriften vor allem in den administrativen Bereichen. Mit Management auf Zuruf sei man schneller am Ziel, wird oft argumentiert. Wir wollten genauer verstehen, woran es liegt, dass sich das Prozessmanagement – auch nach rund fünfzig Jahren – in der Umsetzung so schwer tut. Dazu haben wir dieses Mal mit Unternehmensleitungen und Prozessmanagementverantwortlichen gesprochen.

Vorweg: Die allermeisten Unternehmen haben Prozesse dokumentiert, doch gelebt werden sie häufig nicht. Wenn es sich um die Sicherheitsbelange beispielsweise bei der Herstellung von Nahrungsmitteln oder Medikamenten, bei Finanztransaktionen oder um andere Sicherheitschecks usw. handelt, werden Prozessvorgaben von den Mitarbeitern zähneknirschend akzeptiert. Ausserhalb solcher Bereiche werden vorgegebene Prozesse schnell einmal als umständlich wahrgenommen; und die Mitarbeiter entwickeln Abkürzungen und Workarounds, welche selbst in den unterstützenden IT-Systemen nachgeführt werden. Der Chef eines grossen Anlagenbauers stellte ernüchtert fest, dass es vielleicht entscheidender sei, die besten Mitarbeiter zu rekrutieren, anstatt passende Prozesse vorzugeben. Nicht nur in seinem Unternehmen, sondern weitherum wird aus Gewohnheit und wegen des offensichtlichen Vorteils, flexibel auf die vielen Sonderfälle im betrieblichen Alltag reagieren zu können, Management auf Zuruf gepflegt. Was dann?

In solchen Situationen braucht es nicht mehr oder verbesserte Prozessvorgaben, sondern ein strukturiertes Nebeneinander von Management auf Zuruf und Prozesssystematik. In allen Unternehmen gibt es Aufgabenbereiche, welche sich für Bearbeitung nach detaillierten Prozessvorgaben bestens eignen, weil die Vorteile durch erprobte Routinen offensichtlich sind. Hier ist die Prozesssystematik dem Management auf Zuruf klar überlegen. Es gibt jedoch auch Bereiche, wo hohe Flexibilität, besondere Kompetenzen und situativer Austausch unter den Mitarbeitern erforderlich sind. Da sticht das Management auf Zuruf über die Prozesssystematik
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Klare Abgrenzungen

Um die Vermischung der beiden Arbeitsmethoden zu verhindern, müssen die Bereiche durch klare Schnittstellen voneinander abgegrenzt werden. Denn mit der Vermischung würde bloss die betriebliche Leistungsfähigkeit sinken und zum Durcheinander beigetragen. An solchen Schnittstellen werden interne Aufträge bzw. Arbeitsergebnisse übergeben. Die Bearbeitung selbst erfolgt – je nach Aufgabe - entweder gemäss detaillierten Prozessvorgaben oder mittels flexiblem Management auf Zuruf.

Tipp:

Legen Sie klare Schnittstellen fest, wo Management auf Zuruf zulässig ist und ab wo die Regeln des Prozessmanagements gelten. Die Mitarbeiter werden den Freiraum für mehr Flexibilität selbst organisieren. GroNova unterstützt Sie gerne mit erfahrenen Umsetzungsexperten.

Mit herzlichen Grüssen

Ihr Andreas Suter


PS: Im Buch * die Wertschöpfungsmaschine *, Prozesse und Organisation aus der Strategie ableiten (erschienen im Hanser Verlag, 2. Auflage) finden Sie die detaillierte Anleitung, wie über die Strukturen und Prozesse die Systemanforderungen strategiegerecht entwickelt werden. Dazu empfehle ich Ihnen unsere eintägige Weiterbildungsveranstaltungen vom: Freitag, 25. Februar oder Freitag 13. Mai 2022 im Hotel Sedartis in Thalwil.
 

Wissensbox:
 

Unter einem Geschäftsprozess ist eine sachlich und zeitlich logische Abfolge von betrieblichen Tätigkeiten mit dem Ziel eines klar festgelegten Outputs verstanden. Der Geschäftsprozess besitzt einen bestimmten Leistungsumfang, ist durch einen spezifischen Auslöser (z.B. Beauftragung) und ein entsprechendes Ergebnis als Output (z.B. Arbeitsergebnis) bestimmt, ist wiederholbar, fügt Mehrwert am Prozessobjekt hinzu, hat einen durchgängig verantwortlichen Prozesseigner und verfügt über alle notwendigen Ressourcen und Informationen.
Mit
Management auf Zuruf wird ein betriebliches Geschehen beschrieben, bei dem beispielsweise zur Bearbeitung eines Auftrags die Beteiligten nicht im Voraus bestimmt sind, sondern situativ und auf Zuruf beigezogen werden. Dabei ergeben sich die Rollen und Verantwortlichkeiten der Beteiligten aus der Situation heraus und für den einmaligen Einsatz. Dagegen werden Geschäftsprozesse sowie die darin enthaltenen Rollen und Verantwortlichkeiten im Voraus und für die wiederholte Anwendung festgelegt.
Selbstorganisation ergibt sich innerhalb eines Teams autonom und aus sich heraus, ohne dass von aussen darauf eingewirkt wird. In der Regel handelt es sich dabei um flexible und kaum formalisierte Vereinbarungen der Teammitglieder untereinander, wie sie sich organisieren wollen, um ein Ziel zu erreichen. Die daraus resultierende Arbeitsorganisation ist nicht strikt und wird den inneren und äusseren Gegebenheiten jeweils angepasst.

 


Tabelle: Unterschiede von Management auf Zuruf und Prozesssystematik
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Abbildung: Kombination von Prozesssystematik und Management auf Zuruf mit klarer Schnittstelle gemäss Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung
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Praxisbeispiel im Fokus
Effizienzsteigerung in der Fallabwicklung Gebäudeversicherer mit rund 1‘100 Mitarbeitern
Branche: Versicherung

Ausgangslage und Handlungsbedarf: Steigende Abwicklungskosten

Über Jahre akzeptierten die Versicherungsnehmer die Intransparenz der Versicherungsprodukte und die alljährlichen Prämienerhöhungen. Die zunehmende Präsenz von Vergleichsservices veränderte die Situation: Kunden forderten mehr Produkttransparenz oder wechselten direkt zu günstigeren Versicherungsanbietern. Die Geschäftsleitung erkannte in den Verwaltungskosten, insbesondere den Abwicklungskosten erhebliche Verbesserungspotentiale. Sie lancierte in der Folge ein Kostensenkungsprogramm für das gesamte Unternehmen. Anfänglich dachte sie, dass das Programm vom Unternehmen allein und ohne externe Unterstützung gestemmt werden konnte.

Auftrag: Programmmanagement

GroNova wurde beauftragt, mit einer senioren Persönlichkeit das Programmmanagement zunächst einmal zu unterstützen. Aufgrund der Erfahrungen aus ähnlichen Projekten erkannte die GroNova-Managerin rasch, dass das Vorhaben technologieorientiert und schwergewichtig aus der IT aufgezogen, die organisatorischen Aspekte jedoch unterschätzt wurden. Gleichwohl hätte der flächendeckende Ansatz das Unternehmen überfordert. Die Geschäftsleitung stimmte zu, die Prozess- und Organisationsthemen vorzuziehen und sich in einer ersten Phase auf die Schadensfallabwicklung zu fokussieren. Zudem bestimmte sie die GroNova-Managerin zur Programmleiterin.

Lösung: Neues Organisations- und Prozessmodell

Eine kurze Prozessbegehung zeigte, dass die Schadensfallbearbeitung vor allem nach Schadensarten Wasser, Sturm und Feuer, aber nicht nach der Schadensgrösse differenziert erfolgte. Mit einem kleinen Team aus langjährigen Schlüsselmitarbeitern wurde ein neues Organisationsmodell für die Schadensabwicklung erarbeitet, welches sogenannte Bagatell-, Standard- und komplexe Fälle unterschied. Für die Bagatellfälle wurde die Fallprüfung und -abwicklung komplett und für die Standardfälle teilweise automatisiert. Basis für die Automatisierung waren detaillierte Workflow-Prozesse. Für komplexe Fälle sind Abwicklungsteams zuständig. Diese Teams umfassen Spezialisten, welche je nach Einzelfall auf Zuruf involviert werden.

Fazit: Trennung von Prozessautomatisierung und Management auf Zuruf

Bei einfachen Fällen liessen sich die Abwicklungskosten mit der Prozessautomatisierung erheblich senken. Für die Bearbeitung von komplexen Fällen war dagegen flexibles Management auf Zuruf besser geeignet. Die Technologieunterstützung fokussierte sich auf Fallverwaltung und situatives Knowhow-Management.

Für weitergehende Informationen und bei konkretem Handlungsbedarf stehen wir Ihnen gerne unter +41 41 727 04 70 zur Verfügung.