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Wie Sie die Variantenvielfalt in Griff kriegen und damit die Profitabilität verbessern.

Werden Sie immer wieder mit Sonderwünschen Ihrer Kunden konfrontiert? Sie sind gezwungen, darauf einzugehen? Obendrein modifizieren die Lieferanten ihre Zulieferungen immer wieder? Wie auch immer: Im Endeffekt hat die Vielfalt Ihrer Produkte und Dienstleistungen in den letzten Jahren drastisch zugenommen?

Offensichtlich sind alle Unternehmen von der zunehmenden Vielfalt unter ihren Produkten und Dienstleistungen betroffen. Vor allem in Zeiten, wo die Nachfrage stagniert oder gar rückläufig ist, werden neue Produkte oder Varianten geschaffen.

Selbst Start-up-Unternehmen sind schon in jungen Jahren mit der steigenden Produktvielfalt beschäftigt. Das legendäre 1-Artikel-Unternehmen von Henry Ford („Jeder Kunde kann sein Auto in einer beliebigen Farbe lackiert bekommen, solange die Farbe, die er will schwarz ist.“) ist heute definitiv eine Fiktion.

Trotzdem wollten wir verstehen, was einige Firmen besser machen, um die Produktvielfalt zu kontrollieren. Dazu haben wir einschlägige GroNova-Projekte untersucht. Wir haben auch mit Geschäftsführern, Vertriebsleitern, Produktmanagern sowie Experten gesprochen.

Sie praktizieren ein Vielerlei an Ansätzen und Methoden. Den Erfolgreichen unter ihnen gemeinsam ist: Sie lassen sich nicht treiben von den Sonderwünschen der Kunden oder den Abkündigungen der Lieferanten.

Das Management des Sortiments ist Chefsache oder obliegt zumindest einem starken Produktmanagement mit grosser Entscheidungskompetenz. Neue Produkte und Varianten werden im Gesamtkontext geplant und freigegeben.

Vorausschauende Variantenbildung

Diese Unternehmen kennen die Gefahren der Produkt- und Variantenvielfalt. Wer für jeden Kundenwunsch ein Produkt bzw. eine Variante anbieten möchte, läuft Gefahr, bald über eine variantenreiche Angebotspalette zu verfügen. Diese führt erstens zur Unübersichtlichkeit im Sortiment, zweitens zu hoher Komplexität in den Geschäftsprozessen und zwangsläufig zu höheren Kosten, welche nicht durch bessere Preise abgegolten werden. Und nicht zuletzt verlaufen nachträgliche Standardisierungsbemühungen im Sand.

Unser Tipp

Geben Sie eine neue Variante nur unter der Bedingung frei, dass eine bestehende für immer aus dem Sortiment eliminiert wird. Alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette werden die Komplexitätsvermeidung mit Produktivitätsfortschritten honorieren. Holen Sie GroNova, um die Komplexität nachhaltig zu reduzieren.

Mit herzlichen Grüssen

Ihr Andreas Suter
 

Wissensbox: Produkt-Varianz

Varianten eines Produkts oder einer Dienstleistung unterscheiden sich mindestens in einem Leistungsmerkmal. Sie entstehen aus Anforderungen sowohl seitens der Kunden als auch der internen oder externen Wertschöpfungskette.

Grundsätzlich alle – sowohl geplante wie auch unkontrolliert entstandene – Varianten reduzieren die Lernkurven- und Volumeneffekte. Das Ausmass der Variantenvielfalt hängt oft von der Wachstums- bzw. Lebensphase des Unternehmens ab (siehe auch Abbildung 1).

Beim Variantenmanagement geht es darum, die Variantenvielfalt eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus so niedrig und einfach wie möglich zu halten. Dies betrifft Produktentwicklung, Beschaffung, Produktion, Vertrieb und Entsorgung. Im Vordergrund steht erstens das Verhindern, zweitens das Reduzieren und drittens das Optimieren der Variantenvielfalt.

Die Relevanz des Variantenmanagements nimmt zu, je mehr Komplexität mit den Produktvarianten einhergeht. So bietet ein T-Shirt, das es in drei Farben und vier Grössen gibt, zwar eine Variantenvielfalt, aber nahezu keine Komplexität.

Im Gegensatz dazu stellt ein Automodell, welches es in unzähligen Varianten gibt, eine Herausforderung dar, die entstandene technische Komplexität und Varianz zu beherrschen. Beim Topmodell eines deutschen Premium-Herstellers wurden über 700 Varianten der Innenverkleidung für die Fahrertür gezählt.

Vom Kunden erlebte und interne Varianten

Die Variantenvielfalt eines Produkts hat zwei Perspektiven. Einerseits die interne Varianz, also jene die durch die Produktgestaltung entsteht und andererseits die kundenerlebbare Varianz. Letztere kommt beispielsweise vor, wenn sich ein Kunde online bei einem Autohersteller einen Neuwagen konfiguriert.

Die zahlreichen Konfigurationsmöglichkeiten spiegeln nicht zwangsläufig die interne Varianz wieder. So kann eine bestimmte Funktion in allen Varianten verbaut, aber nur bei der Entscheidung für ein spezifisches Connectivity-Paket freigeschaltet, also aktiviert sein. Der Kunde sieht somit nicht, dass er sich für eine Variante entschieden hat, die aus Sicht der Produktion gar keine ist. Genau anders verhält es sich, wenn für die Konfiguration des Kunden eine von drei Varianten des Kabelbaums verbaut wird. Hier besteht eine interne Varianz, die sich auf die Beschaffung und Produktion auswirkt, für den Kunden aber nicht sichtbar ist.

 
Abbildung 1: Variantenvielfalt abhängig von Wachstums- bzw. Lebensphase des Unternehmens

Wie mit geplanten Varianten die Variantenvielfalt reduziert wird

Varianten werden geplant, damit keine zusätzlichen, unkontrollierten Varianten entstehen. Die unterschiedlichen Produkte und Dienstleistungen werden durch Variantenbildung in wiederholbare und standardisierte Varianten aufgelöst. Damit lassen sich Lernkurven- und Volumeneffekte – zumindest auf der Stufe von Teilleistungen – erzeugen.

Für die Variantenbildung werden drei Schritte empfohlen (siehe Abbildung 2):

  1. Durch “Clustering” der Funktionen und Leistungsmerkmale werden die variierenden Eigenschaften identifiziert und zusammengefasst. Aus festgelegten Eigenschaften wird in Folge das relevante Leistungsspektrum bestimmt. Beispielsweise stellen bei einer Fertigungsanlage Verarbeitungsgeschwindigkeit und Durchsatzmenge variierende Spezifikationen dar. Bei geeigneter Modularisierung sind von den variierenden Eigenschaften nur wenige Module betroffen, welche gemäss den Spezifikationen auszulegen sind. Die übrigen Module werden so ausgelegt, dass sie das gesamte Leistungsspektrum erfüllen.
  2. Für variierende Module wird das Leistungsspektrum in Leistungsreihen zergliedert. Je nach identifizierten “Clustern” sind die Leistungsreihen einfach oder schwierig zu bilden. Die Leistungsreihen bilden Teilspektren ab und können – müssen aber nicht – überlappungsfrei sein. Beispielsweise variieren bei einer Fertigungsanlage Verarbeitungsgeschwindigkeit und Durchsatzmenge unabhängig voneinander. Ebenso lassen sich ausgewählte Variationen in den Leistungsreihen miteinander kombinieren.
  3. Je Leistungsreihe wird eine Variante als Repräsentant bestimmt, welcher jeweils deren Leistungsmerkmale zugeordnet werden. So repräsentiert der Typ HP989 das Spitzenmodell der Fertigungsanlagen, das sehr hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit bei mittlerer Durchsatzmenge erbringt. Entsprechend sind die betroffenen Module ausgelegt.


Abbildung 2: Vorgehen bei der Variantenbildung

Praxisbeispiel im Fokus
Profitabilität durch transparente Preisstrategie gesteigert
Firma: Grosshändler mit rund 450 Mio. CHF Umsatz und 250 Mitarbeitern
Branche: Rohrverbindungen für Sanitär- und andere Installationen

Ausgangslage und Handlungsbedarf: Schleichend den „Baukasten“ von vordefinierten Rohrverbindungen verlassen

Ursprünglich war die Firma Armaturen-Händler und Zulieferant für die Sanitärinstallateure. Weil mit Standardprodukten kaum noch verdient wurde, bot sie auch Rohrverbindungen aus Metall an.

Die Firma lieferte nicht nur nach Katalog, sondern zunehmend auch individuell auf Mass und der Kunde konnte aus beliebigen Längen, Querschnitten, Winkeln, Formen, Verzweigungen, Metalllegierungen und Kupplungstechniken wählen. Dafür war neben dem Zentrallager peu à peu eine Werkstatt für das Zuschneiden, Biegen, Richten, Schweissen, Gewindedrehen, usw. mit über 90 Mitarbeitern entstanden.

Die massgeschnittenen Zusatzleistungen wurden den Kunden nur selten verrechnet. Dies wollte die Geschäftsleitung ändern. Der Vertriebsleiter befürchtete aber, dass die Kunden kostendeckende Aufschläge nicht akzeptieren und abspringen würden.

Auftrag: Den Vertriebsleiter kompetent unterstützen

GroNova wurde beauftragt, den Vertriebsleiter mit einem sehr erfahrenen Produktmanager mit langjähriger Praxis aus der Bauzulieferindustrie zu unterstützen. Auf Seniorität wurde besonders geachtet, damit der Vertriebsleiter ihn akzeptiert und nicht als Konkurrent wahrnahm.

Mit einem neuen Preismodell sollten die Zusatzleistungen verrechnet und insgesamt die Profitabilität des Unternehmens gestärkt werden. Zielvorgabe war, dass innert 12 Monaten 80% der Zusatzleistungen zumindest kostendeckend verrechnet werden. Aufgrund der Wettbewerbssituation schienen höhere Margenzuschläge generell ausgeschlossen.

Lösung: Modularisierte Marktleistung

Die Variantenvielfalt auf ein Katalog-Sortiment zurückzuführen, war illusorisch. Auch eine detaillierte Kalkulation des zusätzlichen Arbeitsaufwands war nicht zielführend. Deshalb schlug der GroNova-Manager vor, zuerst die Zusatzleistungen zu modularisieren.

Diese Servicemodule wurden grob kalkuliert und zu einer übersichtlichen Auswahl von Zusatzleistungen aggregiert. Diese Module wurden wie die Katalogware mit einheitlichen Preisen versehen.

Bei der Umsetzung unterstützte der GroNova-Manager die Vertriebsmannschaft tatkräftig und begleitete Besuche bei Grosskunden und besonders kritischen Abnehmern. Insgesamt reagierten die Kunden positiv. Einige hatten sich sogar gewundert, dass Zusatzleistungen bisher kulant dazugegeben wurden.

Fazit: Serviceleistungen genau wie Produktleistungen bepreisen

Ein Preismodell lässt sich auch in traditionellen Branchen anpassen, wenn die Änderungen von den Kunden verstanden sowie als transparent und fair betrachtet werden. Mit der Bepreisung der Zusatzleistungen wird auch – zumindest im Ansatz – die Variantenkreation eingedämmt.

Während der Übergangsphase hilft es, den Angeboten die neue Kalkulation beizulegen. Damit erhält der Kunde Mehr- und Minderpreise aufgrund der kalkulierten Zusatzleistungen transparent erklärt.

Übrigens

Im Buch
„Die Wertschöpfungsmaschine – Prozesse und Organisation aus der Strategie ableiten“
(2. überarbeitete, erweiterte Auflage), erschienen im Hanser-Verlag, finden Sie in Kapitel 8.3 (Vertikale Architektur der Marktleistung) die detaillierte Anleitung, wie Sie Ihre Marktleistung in die passende Produktarchitektur übersetzen.

Für weitergehende Informationen und bei konkretem Handlungsbedarf stehen wir Ihnen gerne unter +41 41 727 04 70 zur Verfügung.