All diese Vorfälle haben mit der zunehmenden Unüberschaubarkeit und Kompliziertheit im Unternehmen – genauer gesagt: der betrieblichen Komplexität – zu tun.
Wir wollten genauer verstehen, warum wir uns schwer tun, diese Komplexität unter Kontrolle zu halten und haben einschlägige GroNova-Projekte untersucht. In Gesprächen mit Unternehmensleitern, Geschäftsleitungsmitgliedern und Experten haben wir besonders darauf geachtet, was kleine und grössere Unternehmen hinsichtlich des Managements der Komplexität unterscheidet.
Vorweg: Betriebliche Komplexität gibt es zuhauf in kleinen und grossen Unternehmen. Sie zirkuliert in unterschiedlichen Erscheinungsformen – ob als heterogene Kundenbasis, breite Produktpalette, Prozessvielfalt oder verzettelte Organisation. Unkontrolliert vermehrt sie sich dabei noch (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1:Komplexität erzeugt sich selbst und wandelt ihre Erscheinungsformen
Im Umgang mit Komplexität unterscheiden sich jedoch kleine und grössere Unternehmen. Im kleinen Unternehmen ist das Komplexitätsmanagement Chefsache. Der Chef oder die Chefin hat die Komplexität genauso im Auge als auch im Griff. Weil er die Auswirkungen selbst erlebt, hält er die Balance zwischen neuen Marktopportunitäten, kundenspezifischen Lösungen und Management auf Zuruf, und die Organisation ist sowieso seine Sache. (siehe Abbildung 2).
Komplexitätsmanagement in einer Hand
Ganz anders in grösseren Organisationen. Hier wird die Komplexität arbeitsteilig gemanagt – im Ergebnis aber erzeugt. Die Hierarchiestufen nehmen sich unterschiedlichen Themen an, beachten aber die Auswirkungen auf die Komplexität kaum. Die Unternehmensleitung setzt auf Expansion und Diversifikation der Märkte und damit auf Markt- und Kundenwunsch. Der Mittelbau übersetzt diese in neue Produkte und Services und klärt die Rollen und Verantwortlichkeiten, während die direkt wertschöpfenden Leistungsträger ihre Prozessfertigkeiten lokal optimieren. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen wird dabei Komplexität erzeugt anstatt eliminiert (siehe Abbildung 3).
Unser Tipp
Suchen Sie die Ursachen der betrieblichen Komplexität nicht bei den Symptomen. Je mehr Komplexität vorhanden ist, desto weiter liegen die versteckten Ursachen von den augenscheinlichen Symptomen entfernt. GroNova unterstützt Sie gerne bei der Ursachenforschung mit erfahrenen Experten.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr Andreas Suter
Wissensbox: Komplexität
Komplexität bedeutet in der Praxis: Unüberschaubarkeit, Kompliziertheit und Unerklärbarkeit. Präziser: Unter Komplexität wird die Vielfalt (und Varietät) möglicher Erscheinungsformen, Unterschiede, Nuancen, Abstufungen, Varianten des betrieblichen Geschehens verstanden, welche zugleich mit hoher Veränderungsdynamik und dadurch mit hoher Unsicherheit hinsichtlich der Vorhersehbarkeit verbunden ist. Abgeleitete Praktiker-Formel: Vielfalt x Dynamik x Unsicherheit = Komplexität
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Abbildung 2: Im Kleinunternehmen bleibt das Management der Komplexität beim Chef in einer Hand
Abbildung 3: In mittleren und grösseren Unternehmen wird das Management der Komplexität verteilt. Je nach Interessenlage wird dabei insgesamt mehr Komplexität erzeugt anstatt eliminiert.
Praxisbeispiel im Fokus
First-Time-Fix Rate deutlich gesteigert
Branche: Installation und Wartung von Heizung-,Lüftung- und Klima-Anlagen (HLK).
Ausgangslage und Handlungsbedarf: Neues Wartungs- und Reparatur-Geschäft ohne Erfolg
Ein grosses multinationales Installationsunternehmen der HLK-Branche setzte neu auf das margenträchtige Wartungsgeschäft und kooperierte mit Geräteherstellern, welche bereit waren, das Wartungsgeschäft komplett an ihre Partner abzutreten.
Die strategische Logik schien offensichtlich: Die technologische Kompetenz des Herstellers, gepaart mit der lokalen Verankerung und Endkundenbindung durch den Installateur. Mit der Perspektive auf ein lukratives Servicegeschäft war die Firma auch bereit, eine reduzierte Gerätemarge im Erstgeschäft zu akzeptieren.
Die installierte Basis entwickelte sich weitgehend nach der ursprünglichen Planung. Im Wartungs- und Reparaturgeschäft blieben jedoch die Umsätze weit hinter den Erwartungen zurück. Im Gegenteil musste festgestellt werden, dass die Gewinnbeiträge letztlich tiefer als im Erstgeschäft waren und dass viele Kunden ihre Service-Abonnements schon nach kurzer Zeit kündigten. Über die Ursachen tappte die Unternehmensleitung im Dunkeln. Unter dem Druck, Ergebnisse zu liefern, wurde das Neugeschäft angekurbelt.
Auftrag: Ursachenforschung
GroNova wurde beauftragt, mit einem einschlägig erfahrenen Manager auf Zeit aus dem Servicegeschäft die Ursachen zu untersuchen und spätestens nach 20 Arbeitstagen zu berichten und Vorschläge zu unterbreiten.
Lösung: Unterschiedliche Prozesse und Reaktionszeiten
Der GroNova Experte besuchte zuerst zehn Kunden. Fünf die kürzlich Service Leistungen in Anspruch genommen hatten und fünf, die ihr Abonnement unlängst gekündigt hatten.
Rasch war ihm klar, dass die Zeit zwischen Störungsmeldung und Wiederinbetriebnahme der Anlagen aus Kundensicht zu lange dauerte. Schon nach wenigen Tagen konnte der GroNova Manager berichten:
Die Prozesse und Denkmuster im Wartungsgeschäft waren durch jene des Erstgeschäfts dominiert. Im Erstgeschäft wurde der Einsatz vor Ort lange im Voraus geplant und mit den Gewerken Dritter abgestimmt. Das benötigte Material war jeweils klar definiert, wurde auftragsbezogen beschafft und lag komplett vor dem Einsatz bereit.
Für Störungsbehebungen passten diese Prozesse nicht. Das Personal in der Zentrale war sichtlich kundenfreundlich. Ihr Knowhow für die Ferndiagnose der Störungsursache aber nicht ausreichend.
Bis der Servicetechniker vor Ort erschien, dauerte es im Schnitt drei Arbeitstage, denn er musste aus einem laufenden Erstinstallationseinsatz herausgelöst werden. Vor Ort angekommen, diagnostizierte er erst einmal die Ursache und identifizierte die benötigten Ersatzteile. Diese mussten aus dem Zentrallager abgerufen werden und konnten erst beim Zweitbesuch nach durchschnittlichen weiteren drei Tagen eingebaut werden. Kein Wunder, dass die Kunden wegen der aus ihrer Sicht zu langen Dauer nicht zufrieden waren!
Fazit: Symptome sind keine Ursachen
Wenn Umsätze ausbleiben, liegt es nahe, die Kosten zu senken. Die Firma optimierte die Auslastung durch Einbindung im Erstgeschäft und kompensierte das fehlende Knowhow der Zentrale durch den Einsatz von Fachspezialisten aus dem Erstgeschäft. Die Lösung lag jedoch darin, die Reaktionszeit drastisch zu verkürzen und die Störung schon während des Erstbesuchs zu beheben. Dazu brauchte es dezidiert andere Prozesse und letztlich auch eine separierte Organisationseinheit mit ausreichendem Knowhow für die Ferndiagnose und zentrale Identifikation der Ersatzteile sowie einer Einsatzdoktrin, welche Einsätze innert maximal 24h sicherstellte.
Übrigens
Im Buch
„Die Wertschöpfungsmaschine – Prozesse und Organisation aus der Strategie ableiten“
(2. überarbeitete, erweiterte Auflage), erschienen im Hanser-Verlag, dient Kapitel 4 (Komplexität an den Schnittstellen reduzieren)als Anregung, wie Sie der Komplexität im Unternehmen Herr werden. Gerne vermittle ich Ihnen auch das Fachgespräch mit einem unserer Experten.
Für weitergehende Informationen und bei konkretem Handlungsbedarf stehen wir Ihnen gerne unter +41 41 727 04 70 zur Verfügung.